Für die Volkswagen AG gab es in den vergangenen Tagen einige juristische Niederlagen. Der Autobauer wurde von mindestens drei Gerichten wegen sittenwidriger Schädigung verurteilt worden. Eines dieser Urteile fällte am 13.06.2017 das Landgericht Hildesheim (Aktenzeichen: 3 O 297/16, nicht rechtskräftig). Eine Caddy-Käuferin kann ihr Fahrzeug an den Händler zurückgeben und den Kaufpreis des Gebrauchtwagens zurückerhalten (abzüglich einer Nutzungsentschädigung). Für die Schäden, die aus der Manipulation des Kastenwagens resultieren, muss der Hersteller VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und wegen Betrugs einstehen.
In dem von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer erstrittenen Urteil setzt sich das Landgericht gründlich mit der Rolle von VW im Abgasskandal auseinander. Es kommt zu dem Ergebnis, dass der Kunde wegen des Einbaus der manipulierten Motorsteuerungssoftware beim Vertragsschluss wirtschaftlich benachteiligt werde. Das Gericht findet harsche Worte für das Verhalten von VW:
„Die Täuschung durch die Beklagte zu 2) diente – andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich – dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfrei, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung (z. B. durch den Einsatz der sog. AdBlue-Technologie) zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewusste Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit und lässt das teilweise in den Medien verharmlosend als „Schummelei“ bezeichnete Vorgehen weder als „Kavaliersdelikt“ noch als „lässliche Sünde“ erscheinen. […] Das Verhalten der Beklagten zu 2) wiegt umso schwerer, als es sich beim Kauf eines PKW für viele Verbraucher um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht mit oft deutlichen finanziellen Belastungen (der PKW der Klägerin ist darlehensfinanziert) handelt, die durch das unredliche Verhalten der Beklagten zu 2) nachteilig beeinflusst worden ist. Die Beklagte zu 2) hat die Ahnungslosigkeit der Verbraucher bewusst zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt.“
VW kann sich nach der Bewertung des Gerichts auch nicht damit verteidigen, dass sie immer prüfen will, wie es zu dem Softwareeinsatz kam und keine Erkenntnisse habe, dass der Vorstand involviert gewesen sei. Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Tragweite einer solchen Entscheidung sei mangels einer nachvollziehbaren Gegendarstellung der Volkswagen AG davon auszugehen, dass der Vorstand dies zumindest abgesegnet habe.
Das Verhalten des Wolfsburger Autoherstellers wird vom Landgericht Hildesheim auch als vorsätzlicher Betrug gegenüber der Klägerin eingestuft. Dass VW die Schädigung von Kunden zumindest in Kauf genommen habe, zeige sich bereits daran, wie ausgefeilt die Manipulation der Abgaswerte sei.
Käuferin musste Softwareupdate nicht abwarten – Langzeitfolgen sind zu ungewiss
Parallel zu den Schadensersatzansprüchen gegenüber VW sprach das Gericht der Klägerin auch das Recht zu, das Fahrzeug an den Händler zurückzugeben und den Kaufpreis (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) sich zurückzahlen zu lassen. Der Caddy sei wegen der Manipulationssoftware mangelhaft. Die Klägerin habe auch nicht abwarten müssen, bis auch für ihr Fahrzeug ein Softwareupdate bereitsteht und dieses – anstatt des Rücktritts – zur Mangelbeseitigung aufspielen lassen. Das Landgericht entschied, dass das Softwareupdate unzumutbar sei, weil niemand die langfristen Folgen des Softwareupdates tatsächlich kenne. Es führte aus:
„Die Langzeitfolgen der dauerhaft verstärkten Abgasrückführung im Modus 1 sind derartig ungewiss, dass dem Käufer schon aus diesem Grund die Nachbesserung mit dem nachfolgenden Risiko von Motorschäden und erhöhtem Wartungsaufwand nicht zuzumuten sind“. Zulasten des Händlers (der für die Fahrzeugmängel rechtlich einzustehen hat, dem aber Regressansprüche gegenüber VW zustehen) sei zu berücksichtigen, dass VW keinerlei Garantien für das Update ausspreche. Wenn das Update nun aber tatsächlich zu Schäden am Motor führe, dann muss der Käufer nachweisen, dass dies auf das Update und nicht auf sonstige Ursachen zurückzuführen ist. Dieser Beweis dürfte praktisch nicht zu führen sein. In der Gesamtschau haben die Caddy-Käuferin daher nicht auf das Update verweisen lassen müssen, sondern habe – ohne Fristsetzung – von dem Vertrag zurücktreten dürfen.
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