04.09.2018 Abgasskandal

VW Skandal - erneut 4 Urteile auf Schadensersatz, Minderung und Neulieferung erstritten

Zu Beginn des VW-Abgasskandals gingen nicht wenige davon aus, dass gegen einen großen Konzern wie die Volkswagen AG „eh nichts zu machen“ sei. Dass diese Einschätzung so nicht stimmt, zeigen zahlreiche Gerichtsurteile, die in den vergangenen Monaten zugunsten der Kunden ergangen sind. Wegweisend für zahlreiche Betroffene war hier u.a. das im Januar 2017 ergangene, von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer erstrittene Urteil des Landgerichts Regensburg, in dem erstmals ein Autohaus zur Lieferung eines neuen, mangelfreien Ersatzfahrzeugs verurteilt wurde. Und auch fortlaufend geben Gerichte den Kunden recht. Im Fokus stehen neben den Autohäusern auch zunehmend der Autobauer VW selbst. Immer mehr Landgerichte entscheiden, dass den betroffenen Fahrzeugkäufern Schadensersatzansprüche zu stehen, weil VW ihnen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schäden zugefügt hat.

Zu den Gerichten, die erst jüngst VW entsprechend verurteilten, gehören das Landgericht Mainz (Urteil vom 16.08.2017, Aktenzeichen: 5 O 411/16, nicht rechtskräftig) und das Landgericht Aachen (Urteil vom 21.08.2017, Aktenzeichen: 11 O 189/16, nicht rechtskräftig). Das Landgericht Mainz stellte darauf ab, dass VW sittenwidrig gehandelt habe, als zugunsten „einer Kostensenkung rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung“ vermieden worden seien „und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Dies erfolgt eben zum Nachteil der Umwelt, aber auch zum Nachteil des jeweiligen Käufers der solch ein Fahrzeug erwirbt. Zu berücksichtigen ist ferner der von dem Beklagten zu 2) [Anm. die Volkswagen AG] betriebe Aufwand, bei dem für einen Laien aber auch für einen Fachmann es ohne weiteres zu erkennende Möglichkeit was diese Software genau bewirkt, um ihr Ziel zu erreichen. Ein solches die Verbraucher täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen, nicht übermäßig strengen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und verwerflich. Das Verhalten der Beklagten wiegt umso schwerer, als es sich beim Kauf eines PKW für viele Verbraucher um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht mit oft deutlichen finanziellen Belastungen handelt, die durch das unredliche Verhalten der Beklagten zu 2) nachteilig beeinflusst worden ist.“

Das Landgericht Aachen schlug in dieselbe Kerbe. Es verwies darauf, dass es überzeugt sei, dass in den EA 189-Motoren die „eingebaute Softwareprogrammierung nicht gesetzeskonform“ sei. Die verboten Abschalteinrichtung führe zu „erheblichen Nachteilen für den Kläger“, weil u.a. das Risiko bestehe, dass das Kraftfahrtbundesamt die Stilllegung des Fahrzeug betreiben könnte. VW habe hier auch aus eigensüchtigen Motiven gehandelt. Das sittenwidrige Handeln sah das Landgericht Aachen deshalb als erfüllte an, weil „die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand im Profitinteresse zentrale gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden getäuscht hat.“

Gerichte gehen zunehmend davon aus, dass der VW-Vorstand in die Manipulationen eingeweiht war oder es hätte wissen müssen

Mittlerweile findet auch der von Volkswagen in jedem Gerichtsverfahren vorgebrachte Einwand, dass der VW-Vorstand nichts gewusst habe, immer weniger Glauben bei den Richtern. Seit dem Frühjahr 2017 mehren sich die Urteil, in denen von einer Verantwortung des Vorstands ausgegangen wird, weil alles andere bei einer so weitreichenden Entscheidung wie dem millionenfachen Einsatz einer Betrugssoftware in vielerlei Hinsicht nicht nachvollziehbar sei.

Weiterhin hegen etliche Gerichte auch Zweifel am Softwareupdate. Das Oberlandgericht München dass es davon derzeit nicht überzeugt sei und bürdete in einem Hinweisbeschluss den Händler die Beweislast dafür auf, dass das Update funktioniert. Und auch sonst eckt die von VW entwickelte Updatelösung bei den Richtern an. Das Landgericht Heilbronn fand besonders drastische Worte im Urteil vom 15.08.2017 (Aktenzeichen: 9 O 111/16, nicht rechtskräftig), als es die Genehmigung des Updates durch das Kraftfahrtbundesamt als „politisch motiviert“ und nur dem „Schutz eines systemrelevanten Motorenherstellers“ dienlich einstufte.

Die Klagen gegen VW sind nicht die einzigen Klagen, die vor Gericht Erfolg haben. Das Landgericht Stuttgart gab einer auf Minderung gerichteten Klage eines Passat-Käufers statt (Urteil vom 16.08.2017Aktenzeichen 29 O 690/16, nicht rechtskräftig). Das Landgericht Nürnberg-Fürth, das bereits wiederholt zugunsten der geschädigten Autokäufer entschieden hat, sprach am Skoda-Octavia-Käufer die Lieferung eines neuen und mangelfreien Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion zu (Urteil vom 23.08.2017, Aktenzeichen: 12 O 407/17, nicht rechtskräftig). Ein wesentliches Argument: Dem Kläger sei das Softwareupdate nicht zumutbar, das es von dem Konzern stammt, der den gesamten, illegalen Motorsteuerungsmanipulationen ersonnen hat.

Klagewelle gegen VW wird weitergehen

Dass die Klagewelle gegenüber VW in den nächsten Monaten abebben wird, ist angesichts der beim Porsche Cayenne gefundenen illegalen Abschaltvorrichtung und der hieran anknüpfenden Untersuchungen des Kraftfahrtbundesamts eher unwahrscheinlich. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, die mit über 3.400 erhobenen VW-Klagen führend ist, wird ihren Teil dazu beitragen.