Ein weiteres Gericht hat wegen des VW-Abgasskandals einen Vertragshändler zur Rücknahme eines betroffenen Autos gegen Rückzahlung des Kaufpreises (minus einer Nutzungsentschädigung) verurteilt (Urteil vom 30.06.2017, Aktenzeichen: 15 O 205/16; nicht rechtskräftig). Der Prozess wurde von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer geführt.
In dem Fall ging es um einen Ende 2013 gekauften Audi Q3. Kurz nachdem im September 2015 von VW öffentlich eingeräumt wurde, dass die angegebenen Abgaswerte manipuliert wurden, focht ddie Käufer den Kaufvertag an. Sie ließen auch den Rücktritt erklären und forderte das Audi-Autohaus auf, bis Ende Dezember den SUV zurückzunehmen und den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Das Autohaus kam dieser Aufforderung nicht nach, sodass das Landgericht Koblenz entscheiden musste. Es tat dies zugunsten der Autokäufer.
In dem Urteil stellt der Richter zunächst fest, dass das Fahrzeug einen Mangel aufweist. Es schloss sich der Argumentation anderer Gerichte an: Kein Käufer müsse davon ausgehen, er ein Fahrzeug das auf dem Prüfstand eine Abgasreinigung vortäuscht, die im realen Verkehr überhaupt nicht stattfindet. Der Mangel ergebe sich aus daraus, dass das Kraftfahrtbundesamt die Beseitigung der Manipulationssoftware angeordnet habe und ohne Softwareupdate die Zulassung riskiert werde. Der Mangel sei – anders als das Autohaus dies im Prozess darstellte – auch nicht unerheblich. Denn Ende 2015 habe der Kläger befürchten dürfen, dass sich das Update negativ auf Verbrauch, Leistung und andere Abgaswerte oder die Haltbarkeit von Fahrzeugbauteilen auswirken würden. „Diese Befürchtungen mussten sich den Klägern geradezu aufdrängen, da anderenfalls schlicht unverständlich gewesen wäre, weshalb man seitens des Herstellers überhaupt eine entsprechende Manipulationssoftware eingebaut haben sollte.“
Minderwert der Fahrzeuge ist nach Einschätzung des Gerichts nicht unwahrscheinlich
Das Gericht äußerte sich auch zu der heiß diskutierten Frage, ob vom Abgasskandal betroffene Fahrzeuge bereits deswegen weniger wert sind. In den VW-Prozessen streiten die beklagten Autohäuser und VW strikt ab, dass sich der Abgasskandal auf die Gebrauchtwagenpreise ausgewirkt habe. Es sei nicht auszuschließen, dass bereits die öffentliche Diskussion um die manipulierten Autos sich negativ auf die Weiterverkaufspreise auswirke. Dass sich dieser Effekt möglicherweise erst verzögert auf dem Gebrauchtwagenmarkt zeigen könne, stehe der Bewertung nicht entgegen, so das Landgericht.
LG Koblenz: Keine Nachbesserungsfrist für das Autohaus vor dem Rücktritt erforderlich
Dass die Q3-Käufer dem Autohaus keine Frist für die Beseitigung des Mangels eingeräumt haben – wie dies eigentlich in dem meisten Fällen im Gesetz vorgesehen ist – steht nach der Auffassung des Koblenzer Richters dem erfolgreichen Rücktritt nicht entgegen. Zum einen sei die Mangelbeseitigung durch ein bereits damals angekündigtes Softwareupdate unzumutbar, weil berechtigte Befürchtungen zu negativen Folgen im Raum gestanden haben. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass das Softwareupdate vom VW erstellt wird – also genau dem Hersteller, der die manipulierte Software eingesetzt hat. Im Urteil führt das Gericht aus:
„Der Hersteller war zwar nicht der Vertragspartner der Kläger, der Hersteller war aber. allein in der Lage, das zwingend erforderliche Softwareupdate zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte selbst hätte wegen des dadurch hervorgerufenen Verlusts der Betriebserlaubnis gar nicht eigenständig nachbessern dürfen. Auch dies begründet im vorliegenden Fall die Unzumutbarkeit eines Nacherfüllungsverlangens.“
Bei dieser Wertung komme es allein auf die Perspektive des Autokäufers an.
Als Folge des erfolgreich erklärten Rücktritts werde der Kaufvertrag rückabgewickelt. Die Autokäufer dürfen den Q3 zurückgeben, während das Audi-Autohaus den Kaufpreis zurückzahlen muss. Vom Kaufpreis zog das Gericht eine Nutzungsentschädigung für die seit der Übergabe gefahrenen Kilometer ab. Es legte hierbei eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km zugrunde.
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