04.09.2018Abgasskandal

Rechtsschutz im Abgasskandal - Urteil gegen DEVK: Warteobliegenheit wegen laufender Parallelverfahren ist nicht zumutbar

Landgericht Offenburg verurteilt Rechtsschutzversicherung, eine Deckungszusage zu erteilen

So mancher Dieselfahrer, die wegen des Abgasskandals gegen VW oder einen Autohändler klagen will, muss sich zuerst mit einem ganz anderen juristischen Streit einlassen: auf einen Prozess gegen die Rechtsschutzversicherung. Dies wiederfuhr auch einem Versicherten der DEVK, der von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vertreten wird und von einem Autohaus die Neulieferung eines mangelfreien Autos einfordern will. Die DEVK hatte eine außergerichtliche Deckungszusage erteilt, als der Autokäufer aber gegen das Autohaus klagen wollte, wurde die Deckungszusage wegen einer Warteobliegenheit nicht erteilt.  Das Landgericht Offenburg entschied im Urteil vom 31.05.2017 (Aktenzeichen: 2 O 358/16) zugunsten des Dieselkäufers.

Im Oktober 2015 wurde die Deckungsanfrage gestellt; die Deckungszusage für das außergerichtliche Vorgehen wurde im November 2015 gegeben. Als jedoch Anfang 2016 nach der Kostenschutz für einen Prozess gegen das Autohaus angefragt wurde, wurde dieser nicht gewährt. Bis Ende 2016 verweigerte die Versicherung die Deckungszusage für einen Prozess, weil sie davon ausging, dass den Versicherten eine Warteobliegenheit treffe. Es seien bereits zahlreiche Prozesse wegen des VW-Abgasskandals am Laufen, allerdings sei noch keine klare Tendenz in der Rechtsprechung erkennbar. Daher sei „vor Einleitung gerichtlicher Maßnahmen zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten“. Die DEVK wies weiter darauf hin dass in den kommenden Monaten weitere Urteile ergehen würden und dass – zumindest mittelfristig – auch die ersten obergerichtlichen Urteile vorliegen würden. Da davon auszugehen, dass VW und die Autohäuser sich auch außerhalb der Gerichtsprozesse an die Rechtsprechung halten würden, sei es dem Versicherten zuzumuten, „zumindest den ersten rechtskräftigen Ausgang eines der bereits rechtshängigen Verfahren abzuwarten“.

Die Rechtsanwälte der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer stuften diese Warteverpflichtung als unwirksam ein, weil vollkommen offenblieb, auf welches andere gerichtliche Verfahren der Versicherte eigentlich warten sollte. Da die DEVK auf der Warteobliegenheit beharrte, musste das Landgericht Offenburg entscheiden. Es verpflichtete den Versicherer, die gewünschte Deckungszusage zu erteilten.

LG Offenburg: Verweis auf die Rechtskraft „irgendwelcher“ Parallelverfahren löst im VW-Abgasskandal keine Warteobliegenheit aus

In einen kurzen und knappen Urteil führt es aus, dass von einem Versicherte nur dann verlangt werden könne, dass er auf die Rechtskraft anderer Entscheidungen warte, wenn hierdurch seine Interesse nicht unbillig beeinträchtigt werden. Dies sei jedoch im Fall des Autokäufers gegeben. Das Gericht wies daraufhin, dass auch mehr als 1 ½ Jahre nach der Deckungsanfrage noch keine einzige obergerichtliche Entscheidung (mit Ausnahme von Prozesskostenhilfeverfahren) vorliege. Das Gericht führt aus:

Ob und wann insoweit Rechtsklarheit geschaffen werden wird, ist vollkommen offen. Insbesondere ist zu beachten, dass eine solche Rechtsklarheit nicht bereits mit ersten obergerichtlichen Entscheidungen erreicht werden kann, da voraussichtlich sämtliche Obergerichte in Deutschland über Fälle zu diesem Thema zu entscheiden haben werden. Es ist also nicht absehbar, ob und wann sich hier eine obergerichtliche Tendenz herausbilden wird. Ebenso offen ist es, ob und wann es zu ersten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs kommen wird. Es ist zudem auch nicht zu erwarten, dass mit ersten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs Klarheit für alle anderen Fälle geschaffen werden kann. Insbesondere ist zu bedenken, dass die Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls auch von individuellen Umständen abhängen kann, beispielsweise mit welchen Vorstellungen der jeweilige Käufer da Fahrzeug erworben hat, welche Aussagen im Verkaufsgespräch fielen und was für Fristen gesetzt wurden. Es ist dem Kläger damit insgesamt nicht zumutbar, den rechtskräftigen Ausgang irgendwelcher Parallelverfahren abzuwarten.“

Nach dem das Urteil mit diesen deutlichen Worten endete, erteilte die DEVK die begehrte Deckungszusage. Der Autokäufer führt nun endlich den „eigentlichen“ Prozess gegen das Autohaus.