Fahrzeugkäufer sollen bei Rücktritt nicht länger als ein halbes Jahr auf Update warten müssen
Erneut hat ein Landgericht einer Rücktrittsklage wegen des Abgasskandals stattgegeben. Ein von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vertretener Kläger darf laut des Urteils seinen 2013 gekauften VW Touran an den Händler zurückgeben und erhält im Gegenzug den Kaufpreis (minus einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer) zurück (Urteil vom 30.06.2017, Aktenzeichen: 7 O 201/16, nicht rechtskräftig).
Das Gericht stufte die manipulierende Software als Fahrzeugmangel ein, da es bei vergleichbaren Kfz nicht üblich sei, dass auf dem Prüfstand ein geringer Schadstoffausstoß vorgespiegelt werde. „Der durchschnittliche Käufer eines Pkw darf davon ausgehen, dass die Emissionswerte, die durch Broschüren und Herstellerangaben näher konkretisiert werden und bei der Kaufentscheidung für den potentiellen Käufer von Bedeutung sind, korrekt ermittelt wurden“, wird in der Entscheidung ausgeführt. Wenn bei einem Fahrzeug ein Softwareupdate erforderlich sei, um nicht den Verlust der allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren, dann erlaube dies im Umkehrschluss die Annahme, dass ein Mangel vorliegt.
LG Bielefeld: Mehr als 6 Monate Warten auf das Softwareupdate ist nicht mehr angemessen
Diese Feststellung führt zur Folgefrage, ob dem Autohändler eine ausreichende Möglichkeit gegeben wurde, den Mangel zu beseitigen. Dieser hatte im Prozess eingewandt, dass die Mitte Dezember 2015 gesetzte 14-tägige Frist zum Beseitigen des Mangels viel zu kurz gewesen sei. Der Richter stimmte zwar noch zu, dass eine solche Frist zu kurz sei – allerdings sei durch die Aufforderung eine angemessene Frist in Gang gesetzt worden. Allerdings habe es trotzdem zu lange gedauert, bis tatsächlich das Softwareupdate für den Touran angeboten worden sei – dies geschah nämlich erst im Dezember 2016. Eine Wartezeit von einem Jahr sei nicht mehr angemessen, entschied das Gericht. Zwar sei im Fall VW zu berücksichtigen, dass die Rückrufaktion eine sehr umfangreiche Maßnahme sei. Allerdings sei eine Nacherfüllungsfrist von mehr als 6 Monaten unter allen zu berücksichtigenden Umständen nicht angemessen. In dem Urteil heißt es hierzu:
„Eine Nacherfüllungsfrist von mehr als sechs Monaten, bzw. wie hier von fast einem Jahr ist auch nicht mit dem Sinn und Zweck der kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften zu vereinbaren. Dieser liegt unter anderem darin, eine zeitnahe Regulierung von Gewährleistungsansprüchen' des Käufers gegen den Verkäufer und damit eine zeitnahe Herbeiführung von Rechtsfrieden zu ermöglichen. […] Dass unter Berücksichtigung dieser gesetzgeberischen Wertung eine Frist zur Nachbesserung von sechs Monaten, im hier gelagerten Fall sogar von fast einem Jahr, noch angemessen sein kann, ist nach Überzeugung der Kammer ausgeschlossen“
Passus „1 Jahr Gewährleistung nach neuer Schuldrechtsreform“ ist keine wirksame Verkürzung der Gewährleistungsfrist
Ein weiterer Knackpunkt in dem Prozess war die Frage, ob der Rücktritt des Tourankäufers daran an scheitert, dass die Ansprüche verjährt sind. Der Autohändler hatte in dem Vertrag mit folgender Formulierung versucht, die Gewährleistung auf ein Jahr zu verkürzen „1 Jahr Gewährleistung nach neuer Schuldrechtsreform“. Das Landgericht Bielefeld entschied, dass dieser Passus nicht geeignet sei, die Gewährleistungsfrist von zwei auf ein Jahr zu verkürzen. Es sei zwar möglich, die Gewährleistungsfrist auf ein Jahr zu verkürzen, allerdings sei die gewählte Formulierung viel zu umfassend. Denn es seien dem Wortlaut nach auch solche Ansprüche von der Fristverkürzung betroffen, bei denen der Gesetzgeber ausdrücklich ausgeschlossen hat, dass hier verkürzte Fristen möglich sein sollen (z. B. Haftung für Körper- und Gesundheitsschäden oder die Haftung für grobes Verschulden). Die AGB-Regelung stelle eine unangemessene Benachteiligung des Käufers dar, weswegen sie unwirksam sei, hielt das Gericht fest.