Seit einigen Tagen müssen sich etliche VW Amarok-Fahrer mit unangenehmer Post vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) auseinandersetzen. Sie ließen in den vergangenen Monaten nicht das Softwareupdate auf ihre Autos aufspielen. Nun wird ihnen seit Ende Juli 2017 vom Kraftfahrtbundesamt mitgeteilt, dass ihre Daten an die zuständigen örtlichen Behörden weitergeleitet werden, damit dort Maßnahmen für die Stilllegung der Fahrzeuge ergriffen werden können. Um sich hiergegen zu wehren, zieht ein von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vertretener Amarokfahrer, vor das Verwaltungsgericht und beantragt Eilrechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland, die als Rechtsträger hinter dem KBA steht.
Wenn die vom Abgasskandal betroffenen Autofahrer einen solchen Brief erhalten, dass stehen sie vor der Frage, was sie jetzt tun sollen. Insbesondere dann, wenn sie das Update aus guten Gründen nicht durchgeführt haben (z. B. weil sie sich in einem laufenden Gerichtsprozess wegen des Abgasskandal befanden). Deshalb beantragte die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft im Rahmen eines Eilverfahrens am 25.07.2017 bei dem Verwaltungsgericht Freiburg eine einstweilige Anordnung gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das KBA zu erlassen und es dem KBA zu untersagen, die Daten weiter zu geben.
Mit anderen Worten: In dem Eilverfahren soll das Gericht dem KBA vorläufig untersagen, die Daten des Halters an die örtliche Zulassungsbehörde weiterzugeben. Wenn die Daten nicht an die örtliche Zulassungsbehörde übermittelt werden dürfen, dann kann vorerst auch nicht die Stilllegung weiter vorangetrieben werden. Um den Antrag abzurunden (und auch um erneuten Übermittlungen vorzubeugen) wurde auch beantragt, dass das Kraftfahrtbundesamt eine Übermittlungssperre in das zentrale Fahrzeugregister eintragen soll.
Warum sollten VW-Fahrer nicht einfach das Softwareupdate aufspielen lassen, um der drohenden Stilllegung zu entgehen?
Das Softwareupdate einfach aufspielen zu lassen, scheint eine auf den ersten Blick einfache Lösung zu sein. Allerdings ist heiß umstritten, ob das Softwareupdate den Abgasmakel vollständig und vor allem folgenlos beheben kann. Auch in verschiedenen Gerichtsverfahren kommt es auf diese Frage an. Zuletzt hat das Oberlandesgericht München deutliche Zweifel daran geäußert, ob das Softwareupdate eine ausreichende Nacherfüllung (d. h. Mängelbeseitigung) darstellt und ein Sachverständigengutachten zu dieser Frage angeregt. Es gibt also durchaus gewichtige Stimmen in der Rechtsprechung und auch von technischen Experten, die das Softwareupdate nicht als eine Lösung für das Abgasproblem einstufen.
Im Fall des Amarokfahrer, der sich für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Freiburg entschieden hat, ist ebenfalls ein (anderer) Gerichtsprozess am Laufen. Er klagt vor dem Landgericht Freiburg gegen ein Autohaus und fordert die Lieferung eines neuen und mangelfreien VW Amarok. Das Landgericht Freiburg hat sich aber in einem Parallelfall entschlossen, durch einen Sachverständigen klären zu lassen, ob das Softwareupdate überhaupt wirkt, eine sonstigen negativen Folgen hat ob und die gesetzlichen Grenzwerte nach dem Update eingehalten werden. Wenn der klagenden Fahrer des VW Amarok nun wegen der KBA-Datenmitteilung sich genötigt sieht, das Update aufzuspielen, dann gibt er im Zivilprozess gegen das Autohaus ein gutes Beweismittel aus der Hand. Und es besteht das Risiko, dass er sich zusätzlich noch vorhalten lassen muss, dass mit dem Softwareupdate ein Gutachten nur noch schwer möglich ist – denn dann kann nicht mehr festgestellt werden, wie die Leistung, der Verbrauch etc. sich vor dem Update darstellten. Die Prüfung, ob sich der vorherige Zustand des Fahrzeugs negativ verändert hat, ist dann nur noch sehr schwer oder ggf. auch gar nicht mehr zu führen. Gleichzeitig steht wegen der Datenweitergabe des KBA eine Stilllegung des Amarok trotz des laufenden Zivilrechtsstreits im Raum.
Damit der klagenden Amarokfahrer seine zivilrechtlichen Ansprüche durchsetzen kann und seine Chancen nicht durch ein „erzwungenes“ Softwareupdate gemindert werden sollen, hat die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, den Eilantrag beim Verwaltungsgericht eingereicht
Rechtsanwalt Ralph Sauer, der das Verfahren federführend führt, teilte dazu mit: "Der Dieselskandal hat nunmehr eine neue Dimension erreicht. Nachdem das KBA der Volkswagen AG genügend Zeit für die Entwicklung der Software und die Nachbesserung gegeben hat, will es offensichtlich den Geschädigten selbst diese Zeit, die sie für die Durchführung eines Gerichtsverfahrens benötigen, nicht geben. Das KBA spielt wieder einmal ein falsches Spiel auf Seiten der Industrie und stellt sich eindeutig gegen die Interessen der Geschädigten. Es ist unerträglich, wie schamlos das Kraftfahrt-Bundesamt erneut alles dafür tut, um die Geschädigten in die zweifelhaften Softwareupdates zu zwingen. Das Ziel scheint es zu sein, den letzten Widerstand der Geschädigten gegen die Industrie zu brechen und die Prozesschancen von VW gegen die Geschädigten zu verbessern, indem man die Beweismittel vernichtet. Dies kann so nicht hingenommen werden. Deshalb haben wir mit heutigem Datum einen Eilantrag bei Gericht eingereicht, weil dieses Verhalten des KBA rechtswidrig und bürgerfeindlich ist."