Abgasskandal: EuGH-Rechtsprechung wirkt bei Deckungsklagen
Rechtsschutzversicherer wie der ADAC haben geglaubt, dass der Diesel-Abgasskandal zu Ende ist. Deshalb verweigerte auch der ADAC Deckungszusagen für Diesel-Klagen. Die Rechtsabteilungen gehen davon aus, dass für die Klagen keine Erfolgsaussichten mehr bestehen. Der Bundesgerichtshof hat mit seiner verbraucherunfreundlichen Rechtsprechung dieser Entwicklung Vorschub geleistet. Aufgrund von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hat sich nun der Wind wieder gedreht. Das Oberlandesgericht Hamm gab eine Deckungsklage gegen den ADAC statt. Das Gericht sah „hinreichende Erfolgsaussichten“ für die Klage gegen den Autohersteller BMW. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst das Verfahren und das Urteil kurz zusammen:
- Ein Verbraucher kaufte im Jahr 2014 einen gebrauchten BMW X 1. Er beabsichtigte Schadensersatzansprüche gegen die BMW AG mit der Begründung geltend zu machen, dass die dort Verantwortlichen den PKW mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung und zudem mit einem so genannten "Thermofenster" versehen und ihn dadurch vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hätten.
- Die Rechtsschutzversicherung des ADAC verweigerte im August 2020 für die Klage die Deckungszusage mit der Begründung, es gebe keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Der ADAC lehnte auch das Gutachten zum Stichentscheid ab. In erster Instanz bekam der ADAC recht. Der Stichentscheid sei nicht bindend, und die Argumente der Diesel-Klage seien nicht stichhaltig. Der Verbraucher war seit 1990 beim ADAC rechtsschutzversichert.
- Das OLG Hamm wertete jedoch die Sachlage anders. Zum einen besteht für den Rechtsschutzfall Versicherungsschutz. Zum anderen ergeben sich für das Gericht die Erfolgsaussichten daraus, dass der PKW mit einem sogenannten Thermofenster versehen sein könnte. Diese Software verringert die Abgasrückführung, wenn die Außentemperaturen unter bzw. oberhalb einer gewissen Schwelle liegen. Unterm Strich führt das zu einer Erhöhung der NOx-Emissionen. Dass der PKW des Klägers mit einem solchen Thermofenster ausgestattet ist, ist von der Beklagten nicht hinreichend wirksam bestritten worden.
- Nach der Rechtslage, wie der Senat diese jetzt beurteilt, kann nicht mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden, dass dem Kläger gegen die BMW AG ein Schadensersatzanspruch zusteht.
- Das OLG weist auch auf die jüngste Rechtsprechung am EuGH hin. Die im Abgasskandal entscheidende Verordnung (EG) Nr. 715/2007 schütze auch die individuellen Rechte der Verbraucher. Vor diesem Hintergrund und die ausstehenden Entscheidungen am BGH ist für das Gericht nicht auszuschließen, dass die Diesel-Klage gegen BMW Erfolg haben wird. Die Erfolgsaussichten werden als hinreichend gewertet. Und das genügt nach bestehender Rechtsprechung zur Erteilung der Deckungszusage.
- Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden.
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Verbraucherfreundliche Entwicklung im Diesel-Abgasskandal
Rund 2100 Verfahren am Bundesgerichtshof (BGH) und schätzungsweise fast 100.000 anhängige Klagen an unteren Instanzen beschäftigen sich auch noch knapp acht Jahren nach dem Beginn des Diesel-Abgasskandals mit Schadensersatzklagen gegen Autohersteller. Und die Chancen der Verbraucher sind in den vergangenen Monaten enorm gestiegen. Das müssen auch die Rechtsschutzversicherer akzeptieren und die Deckung für die Dieselverfahren übernehmen. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die aktuellen Entwicklungen zusammen:
- Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 21. März 2023 neue Dynamik in den Skandal gebracht und die Klagemöglichkeiten der Verbraucher deutlich erleichtert und damit der Rechtsprechung des BGH vehement widersprochen (Az.: C-100/21). Der BGH sah für einen Schadensersatz stets den Nachweis von Sittenwidrigkeit und Vorsatz vor. Dem EuGH genügt hingegen bereits fahrlässiges Handeln. Der Nachweis der Fahrlässigkeit lässt sich leichter bewerkstelligen als der des vorsätzlichen Handelns. Schließlich kann kein Verbraucher in Unternehmensabläufe hineinschauen.
- Der BGH hat sich deshalb am 8. Mai 2023 versucht, neu zu positionieren. Der Diesel-Senat am BGH tendiert nach einem Verhandlungsmarathon zu einer neuen verbraucherfreundlichen Rechtsprechung. Verbraucher könnten den durch die Abgasmanipulation verursachten Minderwert ersetzt bekommen und das Fahrzeug behalten. Noch sind viele Fragen offen, aber die Richtung ist klar: Es wird eine neue Art von Schadensersatz geben. Verbraucher könnten leichter zu ihrem Recht gelangen. Eine neue Klagewelle ist möglich. Die Versicherer müssen die Klagen decken, da die Erfolgsaussichten enorm gestiegen sind. Die Entscheidung will der BGH am 26. Juni 2023 verkünden.
- Spätestens als das Verwaltungsgericht Schleswig am 20. Februar 2023 das Software-Update zum VW-Skandalmotor EA189 einkassierte und für illegal erklärte, war klar, dass der Diesel-Abgasskandal neu aufgerollt werden muss. (Az.: 3 A 113/18). Denn beim Update handelt es sich um ein Thermofenster, das die Abgasreinigung abhängig von der Außentemperatur regelt – sprich ausschaltet. Der Europäische Gerichtshof hatte mit verschiedenen Urteilen zum Thermofenster den Weg für diese Entscheidung geebnet.
- Und das Verwaltungsgericht Schleswig machte auch klar, dass die Zulassungsbehörde dafür Sorge zu tragen hat, dass die Fahrzeuge wieder in einen gesetzeskonformen Zustand versetzt werden müssen. Heißt übersetzt: Stilllegungen oder Entzug der Typgenehmigung sind denkbar. Verbraucher sollten daher schnell handeln und Klage gegen den Fahrzeughersteller ihres Diesels einreichen. Thermofenster in beinahe allen Modellen verbaut.
- Zu diesen verbraucherfreundlichen Entwicklungen vor Gericht kommen noch die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) veröffentlichten Bosch-Papers. Aus den Dokumenten geht klar hervor, dass alle Hersteller beim Automobilzulieferer Abschalteinrichtungen bestellt haben, um die gesetzlichen Abgasnormen zu umgehen. Bosch hat die Hersteller darauf hingewiesen, dass die Abschalteinrichtungen nicht regelkonform sind. Unterm Strich lässt sich sagen: Die Automobilindustrie verkauft seit 16 Jahren nicht genehmigungsfähige Fahrzeuge. Die Fahrzeuge sind ihr Geld nicht wert. Den Verbrauchern steht Schadensersatz zu. Mehr zu den Bosch-Papers gibt es auf unserer Spezial-Website.
Fazit: Vom Diesel-Abgasskandal betroffene Verbraucher müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben. Die Chancen stehen nach aktueller Rechtsprechung sehr gut. Im kostenfreien Online-Check lässt sich der richtige Weg aus dem Dieselskandal herausfinden. Wir prüfen Ihren konkreten Fall und geben Ihnen eine Ersteinschätzung, bevor wir uns auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigen. Und wenn sich die Rechtsschutzversicherungen querstellen, reicht die Kanzlei Deckungsklagen ein.
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